Sonntag, 8. Mai 2011

Nex

Heute lebe ich einen anderen Tag.
Heute bin ich jemand ganz anderes.
Denn heute bin ich nicht mehr ich.

Ich werde anders lachen und ich werde anders reden und gestikulieren.
Ich werde anders schauen, vielleicht sogar näher und dann wiederum werde ich meine Augen verschließen vor Dingen die ich nicht sehen will und soll.

Heute bin ich jemand anderes. Ich schlüpfe einfach in die Haut einer anderen Person.
Ich stehle ihre Identität, das was sie aus macht und noch mehr für einen Tag und gebe sie dann wieder her.
Ich bin nicht mehr ich.
Und das fühlt sich gut an.

Alles was einmal war ist vergessen. Alles was gerade ist, ist bereits schon vergangen und gehört nicht zu mir und der Zukunft. Ich denke einfach nicht daran.
Ich bin heute ein anderer Mensch.

Ich fühle mich frei. Leicht. Mein Weg ist ein anderer als der von dem Mädchen was hinter mir liegt. Eine leblose Hülle. Das ist sie. Ich schaue weg.

Es macht mir Angst ihr Gesicht zu sehen.. so wie sie da liegt.
Einsam und verlassen. Irgendwie tot.
Ihre Haut ist aschfahl. Ihre Lippen sind blau. Irgendwie tot
Ich schaue näher hin auch wenn ich weiß das ich es nicht tun sollte.. ich darf nicht näher hinschauen. Ihre Augen sind stumpf und leer. In mir schreit es.
Mein Kopf schmerzt. Mein Bauch verkrampft sich. Was ich sehe will ich nicht wissen auch wenn ich es schon viel zulange weiß.
Doch mein Verstand ist gnadenlos.. wie mein Unterbewusstsein wenn ich es zu Wort kommen lasse.
In mir rebelliert mein Herz gegen das was es wahr nimmt und spürt. Es  schmerzt. Es wehrt sich verzweifelt.. wehrt sich gegen diese Eiseskälte die mich befällt. Sie steigt erbarmungslos immer weiter in mir auf.
Ich schreie. Ich schreie aus Leibeskräften.
Ich werde hysterisch. „Es ist tot. Es ist tot. Es ist tot.“,  Kreische ich und reiße dabei wie wild an meinen Haaren. Ich bin das tote Mädchen was da im Dreck liegt und verfault. Ich kreische immer noch. Ich werde wahnsinnig.

Lasst mich. Ich verschließe meine Augen. Ich atme viel zu schnell. Viel zu unregelmäßig. Panik.  Ich gerate in richtige Panik. Durch meine Venen rast viel zu viel Adrenalin sodas es richtig schmerzt. Mein Herz pocht wie wild. Ich bekomme kaum noch Luft. Aber ich schreie immer noch wie eine Verrückte. Mir schnürt es immer mehr die Brust zu. Ich werd verrückt. Ich reiße immer wilder und fester an meinen Haaren. Meine Finger schmerzen. Meine Kopfhaut blutet. Ich kratze mir mit meinen Fingernägeln das Gesicht blutig. Ich kann nicht aufhören. Ich kreische und kreische und es nimmt kein Ende. Ich kratze mir mein Gesicht auf. Mach das Es aufhört.
Mir ist kalt. So furchtbar kalt.

Heute bin ich nicht mehr ich. Denn ich bin bereits tot.
Ich lasse mich hinter mir. Einfach so liegen im Schmutz.
Was war kann ich nicht ändern. Ich habe es getan. Ich habe es gewusst.
Ich bin der Mörder dieses unschuldigen Mädchens.
Sie hatte Träume und Hoffnung bis ich die Kerze auslöschte.
Ihr Blut klebt an meinen Händen. Ich trage die Schuld für ihren Tod.
Ich bin schuldig.
Sie war so jung. Sie war zu jung.
 
Mir ist kalt. Meine Augen sind zu. Meine Identität ist eine geklaute Identität.
Ich Bin nicht Ich.
Ich laufe weg von ihr. Ich laufe und laufe und blicke mich nicht um.
Sie ist tot. Ich blicke mich nicht um.
 
Heute lebe ich einen anderen Tag.
Denn heute bin ich nicht mehr ich.
Erst Morgen bin ich wieder ich. Nämlich tot.